Begriffsdefinition
(Berger & Walpuski, 2018; Borsch, 2018; Green & Green, 2004, 2006; Konrad, 2014; Völlinger, 2018)
Was ist kooperatives Lernen?
Kooperatives Lernen meint ein Lernarrangement, welches sich durch eine koordinierte ko-konstruktive Lernaktivität charakterisieren lässt. Erfolgreiches kooperatives Lernen unterscheidet sich von der reinen Sozialform der Gruppenarbeit durch das Vorhandensein seiner fünf Bestimmungsmerkmale (s. u.). Beim kooperativen Lernen wird die Heterogenität unter den Lernenden als Ressource verstanden, anhand derer ein multireferentieller Lösungsweg beschritten wird.
Vergleichend hierzu können sie mehr über die Sozialform Gruppenarbeit in unserem Modul Heterogenität und adaptiver Unterricht - Rolle von Fehlern - Algorithmik nachlesen.
Fünf Bestimmungsmerkmale
(Green & Green, 2004; Konrad, 2014)
(I) Positive Interdependenz
Dabei handelt es sich um den wichtigsten Bestandteil Kooperativen Lernens. Unter den Lernenden besteht eine positive Abhängigkeit (positive Interdependenz) wenn die Individuen der Gruppe wahrnehmen, dass sie nur zusammen zum Ziel gelangen können. Aufgaben oder das Ziel des kooperativen Lernens sind derart zu planen, dass sie ausschließlich gemeinsam erreicht werden können. Die positive Interdependenz wird erreicht, indem die a) Anstrengungen jedes Individuums für die Zielerreichung benötigt werden und b) jedes Individuum aufgrund seiner Eigenschaften (Fähigkeiten, Rolle, usw.) einzigartige Beträge leistet.
Folgende neun positive Abhängigkeitstypen können hierbei helfen:
(II) Individuelle Verantwortlichkeit
Die Gruppe und das Individuum sind für die Zielerreichung verantwortlich. Die individuelle Arbeit muss hierbei klar identifiziert und zurückverfolgt werden können. Begünstigt wird dies durch eher kleinere Gruppen und entsprechende Rollenzuweisungen. Hierbei kann beispielsweise individuelles Testen im Sinne vom Erfragen des aktuellen Standes über ein zufällig ausgewähltes Gruppenmitglied erfolgen. Weiterhin kann einem Mitglied die Rolle eines Kontrolleurs zugewiesen werden, der prüft, welche Entscheidungen im Sinne des Gruppenziels getroffen werden.
(III) Direkte und förderliche Interaktion
Um eine effiziente gegenseitige Unterstützung des Lernprozesses gewährleisten zu können, ist die direkte Face-to-Face-Interaktion im Sinne unmittelbaren sprachlich-kommunikativen Austauschs maßgeblich (vgl. Konrad, 2014; Green & Green, 2006). Hauptmerkmale dieses lernförderlichen Austauschs sind Austauschen von Informationen, Mutzusprechen und Lob untereinander. Nur so fruchtet der Ressourcenaustausch innerhalb eines kollektiv-helfenden Lernraums.
Hierbei gelten folgende kommunikative Aspekte als zielführend:
(IV) Interpersonale Fähigkeiten
Der kooperative Charakter des gemeinsamen Arbeitens verlangt von den Lernenden eine hohe Bereitschaft, interpersonale Kompetenzen einzusetezn. Es reicht nicht aus, wenn die Gruppenmitglieder guten Willens sind, gemeinsam zu arbeiten, sie müssen sich wirklich als Team zusammenfinden. Dafür benötigen sie Fähigkeiten der Kommunikation, sie müssen ein Vertrauensklima untereinander herstellen, sie müssen Gruppenführungsaufgaben übernehmen und Kontroversen aushalten. Eine nützliche ergänzende Übersicht gibt Konrad (2014, S. 83-84):
(V) Reflektion der Gruppenprozesse - Bewertung
Eine Reflektion der Gruppenprozesse findet fortlaufend unter den Lernenden (peers) statt. Konkret verläuft der Bewertungsprozess bzw. Reflexionsprozess über die gegenseitige Beurteilung ihrer Ziele und der Funktionsfähigkeit als Team. Hierbei werden die einzelnen erledigten Aufgaben des Gesamtvorhabens reflektiert und bewertet. Letztlich soll durch diesen Prozess eine Optimierung der einzelnen Arbeitsschritte zugunsten des Gesamtprozesses erreicht werden.
Videobeispiel
In Szene 2: Einstieg zu Farbigkeit und Licht wird am Ende ein Arbeitsauftrag vorgestellt, den die Lernenden mit der Think-Pair-Share Methode bearbeiten sollen. Einige Merkmale der Positiven Interdependenz sind für die Pair- und Share-Phase offensichtlich erfüllt. So wird zum Beispiel ein exakter Zeitrahmen vorgegeben, das bedeutet, die Lernenden haben eine Außenkraft, gegen die sie arbeiten, sie bekommen Arbeitsmaterialien gestellt und haben durch die Strukturierung der Methode und das Arbeitsblatt eine kleinschrittige Arbeitsweise vorgegeben.
Überlegen Sie, welche weiteren Aspekte der fünf Bestimmungsmerkmale erfüllt sind.