Ansätze für kooperative Lernsituationen

Forschendes Lernen

(Konrad, 2014; Koller & Fischer, 2019)

Merkmale

Das Forschende Lernen orientiert sich an den Perspektiven des Problemorientierten und Situierten Lernens. Das zentrale Merkmal der Methode ist ihre Prozess- und Projektorientierung, wobei der Ausgangspunkt im Umgang mit einem authentischen Problem liegt. Das Ziel des Lernprozesses besteht in einer gemeinsamen Problemlösung durch das Entwickeln einer geteilten Expertise. Damit stellt das Forschende Lernen eine komplexe Form des Kooperativen Lernens dar weil im Vergleich zu anderen Methoden eine Vielzahl an Kompetenzen bereits vorausgesetzt wird. Zum Beispiel benötigen Lernende die Fähigkeit zur Selbstregulation und der Einsatz metakognitiver Strategien ist gefragt (Selbstreguliertes Lernen - Modellieren - Dynamische Prozesse in Ökosystemen - Distanzlernen). Der Problemlöseprozess kann in sechs zentralen Schritten erarbeitet werden, wobei ein oder mehrere Forschungszyklen durchlaufen werden können. Durch diese wissenschaftliche Orientierung der Methode findet sie vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern ihre Anwendung und kann direkt mit Prozessen der Erkenntnisgewinnung verknüpft werden.

Weiterführende Informationen zum Problemlöseprozess erhalten Sie in unserem Modul Motivationale Aktivierung - Problemlösen - Quadrat- und Dreieckszahlen.

Ein möglicher Ablauf könnte sich wie folgt strukturieren:

Ablauf

Forschendes Lernen 1 Forschendes Lernen 2

Die Glückstopf-Methode

(Universität Düsseldorf, 2016)

Die Glückstopf-Methode bietet sich für verschiedene Unterrichtsphasen an und kann in Abhängigkeit des aktuellen Lernziels eingesetzt werden. Vorab bereiten Lehrende oder Lernende Fragen und zentrale Begriffe zu einer Thematik vor und schreiben diese auf einen Zettel. Die Zettel werden anschließend in einem Behälter, dem sogenannten Glückstopf gesammelt, gemischt und wieder verteilt. Anschließend haben Lernende die Aufgabe, sich in beliebig großen Gruppen die Begriffe gegenseitig zu erklären beziehungsweise die Fragen zu beantworten. Gelingt es Lernenden nicht den von ihnen gezogenen Begriff zu erläutern, ist der Rest der Lerngruppe gefragt und es wird gemeinsam eine Erklärung gefunden.

Es bieten sich verschiedene Einsatzmöglichkeiten an:

Glückstopf

Vorteile der Methode sind nicht nur ihr flexibler Einsatz, sondern auch die Beteiligung aller Gruppenmitglieder. Durch das zufällige Ziehen eines Begriffs fällt die Kommunikation innerhalb der Gruppe leichter, da alle Lernenden einen Anhaltspunkt haben und sich auf die Unterstützung der anderen verlassen können.

Außerdem ermöglicht der Glückstopf auch eine Erweiterung oder Differenzierungsmöglichkeit für schnellere Lerngruppen. Beispielsweise können Lernende die zusätzliche Aufgabe erhalten, aus ihren Begriffen eine Concept-Map zu erstellen und die Begriffe grafisch zueinander in Beziehung zu setzen.

Group Investigation

(Berger & Walpuski; Traub, 2021)

Die sogenannte Group Investigation beschreibt eine kooperative Unterrichtsform, die vor allem im naturwissenschaftlichen Unterricht ihre Anwendung findet. Im Mittelpunkt des Lernprozesses steht die Auseinandersetzung der Lernenden mit einem wissenschaftlichen Problem. Dabei kennzeichnet sich die konkrete methodische Umsetzung durch eine positive Interpendenz innerhalb der Lerngruppe sowie eine individuelle Verantwortlichkeit der einzelnen Gruppenmitglieder. Meistens durchläuft die Lerngruppe eine Art wissenschaftlichen Forschungsprozess, weshalb sich das Experimentieren als naturwissenschaftliche Arbeitsform anbietet.

Zu den Aufgaben der Lehrenden gehört die Gestaltung und Strukturierung der Lernumgebung und des Lernmaterials. Beispielsweise kann für jede Gruppe ein Forscherheft oder eine Interaktionsbox vorbereitet werden. Dabei bestimmt das Ausmaß an Strukturierung des Lernmaterials den Unterstützungs- beziehungsweise Schwierigkeitsgrad der Lerninhalte.

Um einen möglichst hohen Lernerfolg zu erzielen, sollten Lehrende Feedbackmaßnahmen einführen, die Kommunikation innerhalb der Gruppe anregen und explizit den Umgang mit Strukturierungshilfen vermitteln. Weiterführende Informationen zum Thema Feedback finden Sie in unserem Modul Feedback - Beweisen und Argumentieren - Der Satz des Pyhtagoras.

Konstruktive Kontroverse

(Konrad, 2014; Traub 2021)

Merkmale

Die Konstruktive Kontroverse ist eine Methode, die am kognitiven Entwicklungsansatz Piagets anknüpft (Konrad, 2014). Nach diesem Ansatz wird Lernen durch strukturierte kognitive Konflikte oder Kontroversen gefördert. Die Auseinandersetzung mit den Lerninhalten soll dazu auffordern, die abgespeicherten Schemata zu verändern und anzupassen.

Ablauf

Kontroverse 1 Kontroverse 2

Das Lerntempoduett

(Konrad, 2014; Traub 2021; Wahl, 2004)

Merkmale

Das Lerntempoduett ist vielfältig einsetzbar, eignet sich für alle Gruppengrößen und berücksichtigt unterschiedliche Lern- und Arbeitsgeschwindigkeiten von Lernenden. Lehrende bereiten für einen bestimmten Themenbereich mindestens zwei unterschiedliche Aufgabenstellungen vor, die in einem Wechsel zwischen Einzel- und Partnerarbeit bearbeitet werden. Eine mögliche Umsetzung verdeutlicht eine Ausarbeitung aus dem Modul Heterogenität und adaptiver Unterricht - Rolle von Fehlern - Algorithmik.

Ablauf

Lerntempoduett 1 Lerntempoduett 2 Lerntempoduett 3

Lernzirkel

(Hegele, 2000; Traub, 2021)

Der Lernzirkel umfasst als organisatorische Großform alle Varianten der Stationenarbeit und ermöglicht damit kooperatives Lernen in selbstgesteuerten Lernsettings. Im Rahmen der Stationenarbeit wird ein Themenbereich in unterschiedliche Teilaspekte gegliedert, die entweder durch Nummern, Symbole oder Farben als Lerneinheit gekennzeichnet werden.

Hegele hält für die Organisation der Stationenarbeit fest, dass

Lernzirkel

Außerdem kann ein Laufzettel den Lernenden helfen, bei der Bearbeitung der einzelnen Lerneinheiten den Überblick zu behalten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit eine kurze Selbstreflexion zu jeder Lerneinheit anzubieten, durch Ankreuzen entsprechender Symbole oder dem Vervollständigen von vorgegebenen Satzanfängen. Dadurch bekommen Lehrende unmittelbar Feedback zum Lernprozess der Lernenden und können gezielt auf Lerneinheiten eingehen, die Schwierigkeiten bereitet haben.

Einerseits bietet sich der Lernzirkel zur Übung oder Vertiefung der Inhalte eines Themenbereichs an. Einzelne Stationen können dazu dienen, kooperative Methoden einzuführen, wie zum Beispiel das Partnerinterview. Andererseits kann ein Lernzirkel auch im Kontext des Forschenden Lernens stattfinden, indem feste Gruppen verschiedene Lerneinheiten gemeinsam erarbeiten. Allerdings setzt eine erfolgreiche Aneignung der Lerninhalte voraus, dass Lehrende im Vorfeld entsprechende Lernstrategien explizit erklären und mit den Lernenden einüben, bevor ihre Anwendung an den Stationen gefragt ist.

Reziprokes Lesen und Lernen

(Konrad, 2014)

Merkmale

Das Reziproke Lesen und Lernen wurde ursprünglich entwickelt, um das Textverständnis von Lernenden zu verbessern. Die Methode beinhaltet ein Kooperationsskript, in dem Lernende in kleinen Gruppen abwechselnd verschiedene Rollen übernehmen und eine strukturierte Abfolge von Aktivitäten durcharbeiten. Dafür muss der Text zuerst in unterschiedliche Abschnitte eingeteilt werden. Für jede Sequenzierung des Textes werden vier Phasen durchlaufen, in der kooperativ Strategien zum Textverstehen angewendet werden.

Ablauf

Alle Lernenden lesen den ersten Textabschnitt und übernehmen dann jeweils vier verschiedene Rollen.

Reziprokes Lesen und Lernen 1 Reziprokes Lesen und Lernen 2

Das Reziproke Lesen und Lernen zeigt nach Hattie (2013) eine Effektstärke von d = 0,74 und zählt in seiner Meta-Studie “Visible Learning” zu einer der größten Einflussfaktoren in Bezug auf den Lernerfolg.

Think Pair Share

(Green, 2006; Traub, 2021)

Merkmale

Die Think-Pair-Share Methode bietet sich als eine einführende Methode in kooperative Lernformen an, da sie sehr einfach zu organisieren ist und bei allen Gruppengrößen durchgeführt werden kann. Außerdem kann die Methode flexibel während des Unterrichtsverlaufs eingebettet werden und benötigt keine umfangreiche Vorbereitung an Materialien. Lehrende haben die Aufgabe, die einzelnen Schritte zeitlich einzuteilen und darauf zu achten, dass jeder Lernende genug Zeit hat, die Aufgaben zu bearbeiten.

Ablauf

Die Methode ist in drei aufeinanderfolgende Schritte eingeteilt. Lehrende stellen zu Beginn ein Problem dar, erläutern ein Fallbeispiel oder beziehen sich auf eine These, um die erste Phase zu initiieren.

Think Pair Share 1 Think Pair Share 2Abbildung: Think Pair Share nach Traub (2021, S.108)

Funktionen

Der gegenseitige Austausch fördert die Kommunikationsfähigkeit der Lernenden und ermöglicht es verschiedene Perspektiven einer Thematik zu erkennen. Des Weiteren entsteht durch den Austausch zu zweit während der „Pair“ Phase das Gefühl von Sicherheit in Bezug zu den eigenen Ergebnissen, wodurch sich mehr Lernende in der anschließenden Plenumsphase an der Diskussion beteiligen.

Videobeispiel

In Szene 2: Einstieg zu Farbigkeit und Licht können Sie sehen, wie eine Think-Pair-Share Arbeitsphase vorbereitet wird. Achten Sie besonders auf die Reaktionen der Lernenden.

Ein Strichmännchen hält die erste Kugel eines Newton-Pendels in der Hand. Die Kugel sind beschriftet mit den Buchstaben des Worts Impuls.

Überlegen Sie sich, bevor Sie die nächste Szene anschauen, wie die Think- und die Pair-Phasen ablaufen könnten. Welche Schwierigkeiten könnten auftreten? Was wird vermutlich gut klappen? Vergleichen Sie dann Ihre Überlegungen mit Szene 3: Besprechung des Arbeitsauftrags.

Aufgabe dazu …

Aufgabe 13