Realitätscheck

Motivation und Leistung

(Spinath, 2022; Kriegbaum, Becker und Spinath, 2018; Wölfer & Cortina, 2014)

Empirische Untersuchungen belegen, dass Motivation wesentlich zur Erklärung schulischer Leistungsunterschiede beiträgt. Ihr wird eine größere Vorhersagekraft als anderen Leistungsvoraussetzungen, wie z.B. der Intelligenz, zugeschrieben. Motivationale Konstrukte aus der Gruppe der Erwartungen (z. B. Fähigkeitsselbstkonzept, Selbstwirksamkeitserwartungen) sind erklärungsmächtiger gegenüber Konstrukten aus der Gruppe der Werte (z. B. Interesse, intrinsische Motivation).

Multiple Zielorientierungen

(Barron & Harackiewicz, 2001; Spatz & Goldhorn, 2021; Wölfer & Cortina, 2014)

Multiple Zielorientierung

Bedeutung der Zielorientierungen in Lern- und Leistungssituationen

(Wölfer & Cortina, 2014; Spinath, 2022; Schunk, 2012; Suter, Karlen, Merki & Hirt, 2021; Spinath & Stiensmeier, 2003)

Die Art der Zielorientierung hat Einfluss auf die vorausgehenden Bedingungen des Lernens, das Lernverhalten und die Leistung.

Zielorientierung

Geschlechtsspezifische Attributionsstile

(Curdes et al., 2003; Deaux, 1984; Dickhäuser & Meyer, 2006; Rustemeyer, 1998)

Mädchen weisen, gerade im Zusammenhang mit naturwissenschaftlichen Fächern, häufig ungünstige Attributionsmuster auf. In den MINT-Fächern führen sie Erfolge weniger auf ihre Fähigkeiten zurück und attribuieren Misserfolge stärker auf einen Mangel an Fähigkeiten (internal stabil). Jungen attribuieren ihre Erfolge hingegen stärker auf internal stabile Variablen und Misserfolge weniger auf den Mangel an Fähigkeiten.

Doch woher kommen die Geschlechtsunterschiede? Ursachen können in den folgenden zwei Punkten gesehen werden:

  • Negative Selbstwahrnehmung von Frauen und Mädchen (wenn man sich selbst negativ einschätzt, ist ein Erfolg erwartungsdiskonform und wird auf äußere Umstände zurückgeführt).
  • Übernahme von Fähigkeitsannahmen oder Attributionsmustern (Fremdattribution), die von Lehrkräften und Eltern kommuniziert werden.

Wie man unangemessenen Ursachenzuschreibungen begegnen und vorbeugen kann, erfahren Sie in den Praxistipps.

Entwicklung der Zielorientierung bei Lernenden

Soziale Einflussfaktoren

(Bardach et al., 2020; Wölfer & Cortina, 2014; Kaplan, Patrick & Ryan, 2011)

Lernende passen ihre Lernhaltung der vorherrschenden Zielorientierung im Unterricht an. Die Betonung von Problemlösung, Unterrichtsverständnis und Lernfortschritt fördert eine Lernzielorientierung. Leistungsdruck und Wettbewerbsausrichtung begünstigen die Herausbildung von Performanzzielen. Somit sind sowohl der Unterrichtsstil einer Lehrperson als auch die Klassenatmosphäre und die Art der Beziehungen zwischen den Lernenden für die Zielorientierung von Bedeutung.

Persönliche Voraussetzungen

(Schunk, 2012; Spatz & Goldhorn, 2021)

Personen mit einem growth mindset häufiger verfolgen häufiger Lernziele. Im Vergleich dazu arbeiten Lernende mit einem fixed mindset leistungsorientiert. Studien deuten darauf hin, dass Jungen stärker als Mädchen zu einem growth mindset tendieren.

Fähigkeitsselbstkonzept und Leistung

(Baumeister et al., 2003; Hansford & Hattie, 1982; Marsh et al., 1999; Spinath & Stiensmeier, 2003; Spinath, 2022; Trautwein, 2003; Schunk, 2012)

Es besteht ein positiver wechselseitiger Zusammenhang zwischen (Fähigkeits-)Selbstkonzept und schulischer Leistung.

Fähigkeitsselbstkonzept und Leistung

Effekte der Selbstwirksamkeitserwartung auf Lern- und Leistungsverhalten

(Schunk, 2004; Hackett, 1995; Pinquart et al., 2003; Hardt & Kleinbeck, 2002; Bandura, 1986; Klassen, 2002)

Selbstwirksamkeitserwartung

(Ainley, Hidi & Berndorff, 2002; Daniels, 2008; Gottfried, Fleming & Gottfried, 2001; Krapp et al., 2014; Krapp & Prenzel, 2011; Schiefele, 1996; Shirey & Reynolds,1988)

Aufgrund der Ähnlichkeit der Selbstbestimmungs- und Interessenstheorie (wie bereits in den jeweiligen Kapiteln angemerkt), werden zentrale Forschungsbefunde zu den beiden angeführten Theorien im Rahmen eines gemeinsamen Kapitels aufgeführt:

Selbstbestimmungstheorie
  • Eine auf Selbstbestimmung beruhende Lernmotivation ist weniger von pädagogisch unerwünschten Nebenwirkungen betroffen als eine durch inneren oder äußeren Zwang gekennzeichnete Motivation (Krapp et al., 2014).
Pädagogisch psychologische Interessenstheorie
  • Eine auf Interesse beruhende Lernmotivation trägt zu einer Fokussierung der Aufmerksamkeit und einer Erhöhung der Konzentration bei (Shirey & Reynolds, 1988).
  • Interessenbasierte Lernhandlungen sind durch ein positives emotionales Erleben gekennzeichnet, welches wiederum zu einer höheren Persistenz führt, die sich positiv auf die Lernleistung auswirkt (Ainley, Hidi & Berndorff, 2002).
  • In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass (thematische) Interessen ein tiefergehendes Leseverständnis unterstützen (Schiefele, 1996).
  • In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Entscheidung für eine weiterführende Ausbildung (z. B. Studienfachwahl) sehr stark von den Interessen der Schulabgänger bestimmt wird. Das trifft in besonderer Weise auf naturwissenschaftliche Fächer zu (Krapp & Prenzel, 2011).
  • Zahlreiche Untersuchungen haben sich mit dem Verlauf der Interessenentwicklung während der Schulzeit befasst. Die Befunde zeigen, dass das durchschnittliche Interesse an den Inhalten der meisten Schulfächer im Verlauf der Schulzeit abnimmt. Besonders deutlich ist der Abwärtstrend in der Sekundarstufe I in den naturwissenschaftlichen Fächern (Physik und Chemie) und im Fach Mathematik (Daniels, 2008).
Fazit

Lernende mit intrinsischer Motivation können die jeweils vorhandenen Kapazitäten ihres kognitiven Systems (Vorwissen, Fähigkeiten, Lernstrategien etc.) optimal nutzen.

Eine auf Selbstbestimmung und Interesse beruhende Lernmotivation liefert sowohl für außerschulische als auch schulische und akademische Lernsituationen optimale Voraussetzungen für den Erwerb von tiefgründig verankertem und damit relativ dauerhaft gespeichertem Wissen. Daher sollte der Lehrende versuchen, genau diese Form der Motivation zu fördern. Welche Möglichkeiten hierfür bestehen, finden Sie in den Praxistipps.

Zudem zeigen die Befunde, dass eine interessensbasierte Lernmotivation durchaus positive Auswirkungen auf den Lernprozess und den Lernerfolg haben kann. Gerade vor diesem Hintergrund ist es durchaus problematisch für Lehrende und ihren Unterricht, dass das Interesse im Laufe der Schulzeit abnimmt.

Problem: Abnehmendes Interesse im Schulverlauf

(Daniels, 2008; Gottfried et al., 2001; Krapp et al., 2014)

Zahlreiche Studien zum Verlauf der Interessensentwicklung während der Schulzeit zeigen auf, dass das durchschnittliche Interesse an den Inhalten der meisten Schulfächer im Verlauf der Schulzeit abnimmt. Dieser Interessensabfall ist unabhängig von den Unterrichtsfächern zu verzeichnen, wobei der Abwärtstrend in der Sekundarstufe in den naturwissenschaftlichen Fächern Chemie, Physik und Mathematik besonders deutlich wird.

Mittelwerte fachspezifischer intrinsischer MotivationAbbildung: Mittelwerte fachspezifischer intrinsischer Motivation in Anlehnung an Krapp et al. (2014, S. 216) nach Gottfried, Fleming & Gottfried (2001)

  • Ungünstige schulische Unterrichts- und Lernbedingungen; mangelnde Passung zwischen Autonomiebestreben (vgl. Praxistipps zu den Basic Needs der Selbstbestimmungstheorie) der Jugendlichen und den engen Verhaltensvorschriften schulischen Unterrichts (vorwiegend Frontalunterricht).
  • Insbesondere im Jugendalter verändert sich aufgrund anstehender Entwicklungsaufgaben (z. B. Ablösung vom Elternhaus) die Einschätzung der Bedeutsamkeit unterschiedlicher und zum Teil miteinander konkurrierender Lebensziele. Das Interesse der Jugendlichen fokussiert sich eher auf den außerschulischen Bereich, die Jugendlichen müssen ihre Identität und Rolle finden. Daher ist der Alltagsbezug, also das Beachten der Lebenswelt der Lernenden im Unterricht in dieser Phase enorm wichtig.
  • Die sich allmählich verfestigende Einschätzung der eigenen Kompetenzen und künftigen Entwicklungschancen sowie die Wunschvorstellungen von künftigen Ausbildungs- und Berufswegen führen dazu, dass Jugendliche ihr schulisches Engagement auf entsprechende Schulfächer und Themengebiete konzentrieren.