Leistungsmotivation & Zielorientierung
(Atkinson, 1957; Dweck & Leggett, 1988; Dweck, 1991, 2006; Elliott, 1999; Köller, 1998; Mietzel, 2007; Nicholls, 1984; Strijbos & Müller, 2014; Schunk, 2012; Spinath, 2022)
Leistungsmotivation
Die Zielorientierung befasst sich mit den aus einer Lernhandlung resultierenden Leistungen. Daher wird hier die Motivation im Sinne der Leistungsmotivation aufgefasst.
Zielorientierung
Bei der Zielorientierung befassen sich die Lehrenden mit der Frage, welche Leistungsziele eine Person für wichtig erachtet, d. h. welche Bewertungsmaßstäbe sie zur Beurteilung ihres (schulischen) Erfolgs und Misserfolgs heranzieht.
Zielorientierungen können als habituelle oder dispositionale Präferenzen einer Person für eine bestimmte Art von Zielen in Lern- und Leistungskontexten verstanden werden, die relativ dauerhaft im kognitiven System der Person repräsentiert sind und in vergleichbaren Lernsituationen immer wieder abgerufen werden. Demnach stellen Zielorientierungen relativ situationsstabile und bereichsunspezifische motivationale Merkmale dar.
Mit Zielorientierungstheorien wird versucht, das Lern- und Leistungsverhalten im schulischen Kontext zu erklären.
Lern(ziel)orientierung und Leistungs(ziel)orientierung
Dweck & Legget (1988) unterscheiden zunächst zwischen der Lern(ziel)orientierung (auch genannt Aufgabenorientierung) und der Leistungs(ziel)orientierung (ebenfalls bekannt als Performanzorientierung oder Ich-Orientierung). Die nachfolgende Grafik veranschaulicht diese beiden Dimensionen in Anlehnung an Strijbos & Müller (2014, S. 99).
Das primäre Ziel von Personen mit einer Lernorientierung ist die Verbesserung ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Meist haben sie ein positives Fähigkeitsselbstkonzept, sprich sie schreiben sich hohe Fähigkeiten zu, nutzen sehr häufig metakognitive Strategien und geben bei der Konfrontation mit Schwierigkeiten nicht auf (Ausdauer). Erleben sie Misserfolge, sehen sie sich nicht als Versager, sondern erhöhen ihre Anstrengungen und suchen nach alternativen Lösungsstrategien oder Vorgehensweisen, falls notwendig fragen sie um Rat. So erfahren diese Personen wiederholt, dass zwischen ihrem Anstrengungsgrad und dem Ergebnis ihrer Bemühungen ein Zusammenhang besteht, sich Anstrengung also auszahlt. Damit sind sie neuen Anforderungen gegenüber positiv gestimmt und stellen sich diesen gerne. Den Erfolg ihrer Bemühungen bemessen sie dabei primär an ihrem eigenen Lernfortschritt (individuelle Bezugsnormorientierung; Erläuterung siehe Modul: Feedback - Beweisen und Argumentieren - Satz des Pythagoras). Vielfach entwickeln sie unter dieser Orientierung persönliche Interessen und hohe Selbstwirksamkeitserwartungen.
Für Personen mit Performanzorientierung geht es vor allem darum, möglichst hohe Fähigkeiten zu demonstrieren beziehungsweise niedrige zu verbergen. Das gilt insbesondere in Situationen, in denen Leistungen im Vergleich zu anderen bewertet werden, zum Beispiel während dem Schulunterricht (soziale Bezugsnorm; Erläuterung siehe Modul: Feedback - Beweisen und Argumentieren - Satz des Pythagoras). Die Performanzorientierung geht meist mit schlechteren Lernergebnissen einher als die Lernorientierung (Spinath 2011; 2022). Empirische Befunde deuten darauf hin, dass Lernende mit Leistungszielen weniger intrinsische Motivation und Interesse beim Lernen zeigen, über eine geringere Ausdauer verfügen und angesichts von Schwierigkeiten öfters aufgeben.
Folgende Dartsellung illustriert den Einfluss der Zielorientierung auf die Motivation (Schunk, 2012, S. 376):
Annäherungs- und Vermeidungsziele
Elliot (1999) hat die Dichotomie Lernorientierung/Performanzorientierung zu einem mehrdimensionalen Klassifikationsmodell erweitert. Zur genaueren Beschreibung der Zielorientierung werden zwei Arten der Leistungsmotivation unterschieden: Hoffnung auf Erfolg (Annäherungsziele) und Furcht vor Misserfolg (Vermeidungsziele).
Dabei umschreibt das Annäherungsziel die positiven Einstellungen einer Person gegenüber Leistungsanforderungen als auch eine damit verbundene hohe Leistungsbereitschaft. Das Vermeidungsziel ist mit einer negativen Einstellung gegenüber Lernanforderungen, im Extremfall sogar mit hilflosem Verhalten, verknüpft. Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht in Anlehnung an Mietzel (2007, S. 380) das Zusammenspiel zwischen Zielorientierung und möglichen Annäherungs- beziehungsweise Vermeidungsperspektiven.
Abhängigkeit der Zielorientierung von Umwelt- und Personenvariablen
Welche Zielorientierung sich letztendlich bei den Lernenden entwickelt, hängt von Personen- und Umweltvariablen ab.
Dabei stellen soziale Normen einen wichtigen Einflussfaktor dar. So hat die im Unterricht vorherrschende Bezugsnorm (Erläuterung siehe Modul: Feedback - Beweisen und Argumentieren - Satz des Pythagoras) einen entscheidenden Einfluss auf die Zielorientierung. Es ist zu beachten, dass die Betonung interindividueller oder sozialer Bezugsnorm im Unterricht die Orientierung an Leistungszielen fördert. Auch sind die Zielorientierungen eines Lernenden vom jeweiligen Fach abhängig.
Zudem wird erforscht, welchen Einfluss implizite Theorien auf die Zielorientierung haben. Dabei liegt der Fokus auf den Annahmen, die Lernende (unbewusst) über die Beschaffenheit von Intelligenz und Fähigkeiten treffen. Implizite Theorien sind im Zusammenhang mit dem Fähigkeitsselbstkonzept zu verstehen. Wer (die eigenen) Fähigkeiten für formbar hält, verfügt nach Dweck (1988; 1991; 2006) über eine inkrementelle Theorie der Intelligenz. Dieses growth mindest begreift Lernsituationen als Chance und begünstigt die Herausbildung einer Lernorientierung. Im Gegensatz dazu versteht das fixed mindset Intelligenz als etwas Unveränderbares, quasi Naturgegebenes, das unabhängig von Zeit und Kontext fortbesteht. Diese Einstellung steht in Verbindung mit der Performanzorientierung.
Weiterhin können in einer konkreten Lernsituation mehrere Zielorientierungen, auch Lernziel- und Performanzorientierungen, gleichzeitig wirksam werden und sich gegenseitig beeinflussen.
Zusammenhang Zielorientierung und Kausalattribution
Die Lern(ziel)orientierung geht in der Regel mit lernförderlichen Attributionsmustern einher. Lernende erkennen einen Zusammenhang zwischen ihrer Lernbereitschaft und erreichten Leistungen. Sie haben das Gefühl, Leistungssituationen durch ihr eigenes Verhalten beeinflussen zu können und verfügen über eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung.
Im Unterschied dazu zeigen Lernende mit Performanzorientierung häufiger ungünstige Attributionsmuster. Dies gilt insbesondere für Personen, die Vermeidungs-Leistungsziele verfolgen. Misserfolge werden auf persönliche Defizite zurückgeführt, Erfolge als Glückstreffer abgetan. Lernende unterschätzen die eigene Selbstwirksamkeit und fühlen sich hilflos gegenüber Leistungssituationen.
Impulsfrage:
Sehen Sie sich die Szene 1: Erarbeitung der Bildungsgesetze von Quadratzahlen und Szene 2: Besprechung der Problemlöseaufgabe zur Bildung von Quadratzahlen an. Beschreiben Sie, welche verschiedene Formen der Zielorientierung beobachten können. Erklären Sie, wie der Lehrer die Zielorientierungen der Lernenden positiv und negativ beeinflussen kann.