Pädagogisch-psychologische Interessenstheorie
(Krapp et al., 2002 & 2014)
Die pädagogisch-psychologische Interessenstheorie beschäftigt sich mit der Frage wie Interessen entstehen und welchen Einfluss Interessen auf das Lernen und die individuelle Entwicklung haben. Dabei orientiert sie sich an der sogenannten Person-Gegenstands-Theorie des Interesses, die in enger Verbindung zur Selbstbestimmungstheorie steht.
Basierend darauf wird Interesse wie folgt definiert:
Gegenstand eines Interesses kann prinzipiell alles sein, mit dem sich ein Individuum näher befasst. In der Regel handelt es sich um konkrete Objekte, thematische Bereiche, inhaltliche Themen oder auch bestimmte Tätigkeiten.
In der Person-Gegenstands-Theorie werden der Lernvorgang und die persönliche Entwicklung einer Person als lebenslanger Austausch zwischen einer Person und ihrer Umwelt angesehen.
Laut Krapp et al. (2014, S. 205) ist eine positive Person-Gegenstands-Beziehung erstrebenswert und gekennzeichnet durch:
Die persönliche Relevanz eines Interesses resultiert also aus der Identifikation einer Person mit den Interessengegenständen und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten. Die Entwicklung von Interessen ist somit eng mit der Entwicklung des individuellen Selbst verbunden. Dadurch lässt sich auch die Verknüpfung der Selbstbestimmungs- und Interessenstheorie erklären.
Während sich die in der Selbstbestimmungstheorie beschriebenen motivationalen Entwicklungsprozesse auf die Lernhandlung beziehen, steht jedoch beim Interesse die Verbindung zwischen Inhalt und Lernhandlung im Zentrum.
Beide Theorien können jedoch insofern kombiniert werden, dass ein Interesse nur dann entsteht und aufrechterhalten wird, wenn eine Person die entsprechenden Inhalte und Tätigkeiten auf der Basis kognitiv-rationaler Überlegungen als hinreichend bedeutsam einschätzt und sich während der Interessenshandlung ein insgesamt positives Erleben ergibt (Basic Needs, wertbezogene und emotionale Valenz). Beides führt dazu, dass neue Interessen in das persönliche Wertesystem aufgenommen und in das individuelle Selbst integriert werden.
Generell gibt es in der empirischen Forschung zu schulischen Interesse zwei verschiedene Arten von Interesse (Krapp et al. 2014, S. 205):
Werden die beiden Typen des Interesses miteinander verglichen, ist das individuelle Interesse die auf Dauer lernwirksamere Variante des Interesses.
Bezogen auf die Lernwirksamkeit stellt sich daher die Frage, wie dieses individuelle Interesse generiert werden kann.
Bei der Entwicklung eines individuellen Interesses ist ein mehrstufiger Prozess vorhanden, der durch zwei wichtige Entwicklungsschritte beschrieben werden kann:
Abbildung: Zwei Stufen der Interessensgenese in Anlehnung an Krapp et al., 2014, S. 206
- Schritt 1: das in einer aktuellen Lernsituation durch positive Emotionen (z. B. Spaß) und eine relativ kurzzeitige Fokussierung der Aufmerksamkeit gekennzeichnete neu geweckte situationale Interesse (CATCH) wird durch einen Internalisierungsprozess in ein für einige Zeit anhaltendes und damit lernwirksames situationales Interesse (HOLD) umgewandelt. Die Internalisierung bewirkt, dass die Notwendigkeit oder Nützlichkeit der Aktivitäten für einen selbst erkannt wird.
- Schritt 2: durch Identifikation mit den Interessengegenständen und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten sowie der Integration dieser neuen Interessen in das individuelle Selbst, entwickelt sich ein langfristig wirksames individuelles Interesse.
In schulischen Kontexten stellen (stabilisierte) situationale Interessen den häufigsten Fall interessenbasierter Lernmotivation dar. Da dies ein Ausgangspunkt für die Entwicklung individueller Interessen sein können, sollten Lehrende versuchen mit ihrem Unterricht möglichst oft situationales Interesse zu wecken und aufrecht zu erhalten.
Welche Fördermöglichkeiten hier für den schulischen Unterricht bestehen, können Sie bei den Praxistipps nachlesen.
Impulsfrage:
Sehen Sie sich die beiden Ausschnitte der Szene 1: Erarbeitung der Bildungsgesetze von Quadratzahlen und Szene 3: Wecken der Beweisbedürftigkeit und Bearbeitung der Problemlöseaufgabe in der Gruppe an. Bewerten Sie die Motivationsförderlichkeit der dargestellten Unterrichtsszenarien im Hinblick auf die Interessenstheorie.