Erwerb von Modellierungskompetenzen
(Blum et al., 2007; Brand, 2014; Greefrath et al., 2013; Schukajlow & Blum, 2018)
Definition Modellierungskompetenz
Die Kompetenzen können nach Greefrath et al. (2013) und Blum et al. (2007) wie folgt definiert werden:
Das mathematische Modellieren beschreibt die Fähigkeit, zwischen Realität und Mathematik in beide Richtungen übersetzen zu können. Dabei sollen die jeweils nötigen Prozessschritte beim Übergang zwischen Mathematik und Realität problemorientiert ausgeführt werden. Des Weiteren sollen Lernende in der Lage sein, gegebene Modelle zu analysieren und vergleichend zu beurteilen.
Generell werden beim Erwerb von Modellierungskompetenzen zwei Ansätze unterschieden, die jeweils unterschiedliche Herangehensweisen postulieren: der holistische Modellierungsansatz und der atomistische Modellierungsansatz (vgl. Brand, 2014, S. 36.).
Holistischer Modellierungsansatz: Hierbei wird angenommen, dass der effektive Kompetenzerwerb nur durch einen vollständig vorgenommenen Modellierungsprozess vonstattengeht. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellungen orientiert sich an den bisherigen Erfahrungen und Kompetenzen der Lernenden. Zunächst werden simplere Aufgaben angeboten, die eine schnell erreichbare Lösung versprechen. Mit der darauffolgenden Komplexitätssteigerung der Aufgaben steigert ein stufenweises Erleben von Problemlösungskompetenzen die Modellierungskompetenzen. Weiterhin sind unter diesem Ansatz authentischere Realitätsbezüge vorzufinden, was die Motivation der Lernenden fördert.
Atomistischer Modellierungsansatz: Hierbei wird angenommen, dass in einem anfänglichen Stadium der Kompetenzentwicklung eine komplette Durchführung von Modellierungsprozessen hinsichtlich des Erwerbs einzelner Modellierungskompetenzen unverhältnismäßig zeitraubend ist. Deshalb ist eine getrennte Bearbeitung gesonderter Modellierungsabschnitte gewinnbringender als einen vollständigen Modellierungsprozess durchzuführen. Kernelement für diesen Ansatz ist der “kognitiv besonders anspruchsvolle Prozess des Mathematisierens” (ebd., 38). Die Teilprozesse des Vereinfachens und Strukturierens, des mathematischen Arbeitens und des Interpretierens und Validierens verkörpern dabei die Mehrdimensionalität der Modellierungskompetenzen.
Daneben spielt, wie bei allen formellen Lernprozessen, die Lernumgebung eine wichtige Rolle, wobei sich diese Umgebungen bezüglich der Methode grob in zwei Kategorien einteilen lassen: die direkte Instruktion und das selbstständige Lernen (vgl. Schukajlow & Blum, 2018, S. 5). Sowohl die direkte Instruktion als auch das selbstständige Lernen versprechen effektive Lernfortschritte. Dennoch bietet die selbstständige strategische Arbeitsweise des selbstständigen Lernens auch beim Modellieren im Vergleich zur direkten Instruktion einen Mehrwert in der Aneignung von Fertigkeiten und Fähigkeiten, die über den bloßen Wissenserwerb bei Weitem hinausgeht: Die metakognitiven Strategien der Lernenden hinsichtlich der Planungs-, Kontroll- und Lösungswege führen dazu, Transferleistungen zu erbringen und sich neuen Problemen erfolgreich zu stellen, sodass Lerneffekte auf mehreren Ebenen stattfinden.
Demgegenüber stehen vielerlei Hürden, Modellierungskompetenzen zu erwerben. Folgende Zusammenschau zeigt einige dieser Barrieren (vgl. Brand, 2014, S. 53 ff.):
- Schwierigkeiten beim Übergang zwischen Mathematik und Realität (Interpretationsschwierigkeiten)
- Übergreifende Schwierigkeiten im Modellierungsprozess (Fehlen von Lösungsüberprüfungsstrategien, Bewertungsstrategien der erbrachten Lösungen)
- Allgemeine Hinderungsgründe (organisatorischer, lernendenbezogener, lehrendenbezogener oder materialbezogener Natur)
Erwerb von Modellierungskompetenzen
Modellierungskompetenzen werden prinzipiell durch eigenständiges Modellieren erworben.
Angelehnt an die verschiedenen Phasen des Modellierens werden die Teilschritte als Teilkompetenzen verstanden. Dieses Aufteilen des Modellierungsprozesses ermöglicht eine Reduzierung der Komplexität des Modellierens für Lehrende und Lernende. Die Teilschritte können mit geeigneten Aufgaben einzeln geschult werden, was langfristig einen umfassenden Aufbau der Modellierungskompetenz ermöglicht.