Darstellung
(DeWolf, Bassok & Holyoak, 2015; Vamvakoussi & Vosniadou, 2010)
Ein weiteres großes Problem beim Erlernen von Brüchen ist die Tatsache, dass unterschiedliche Brüche die selbe Zahl darstellen können. Wenn die Rollen beziehungsweise die geometrischen Interpretationen von Zähler und Nenner nicht geklärt werden und im weiteren Verlauf Kürzen und Erweitern lediglich als abstrakte Handlung ohne geometrische Deutung eingeführt wird, kann das starke, negative Auswirkungen auf das Arbeiten mit Brüchen an sich haben. Das wirkt sich insbesondere auch massiv auf den Größenvergleich aus, der weiter unten besprochen wird.
Dass unterschiedliche Darstellungen derselben Zahl entstehen, tritt in der Praxis schon bei sehr einfachen Aufgaben und Situationen auf, wie der Ausschnitt aus Szene 1: Entdecken von wertgleichen Brüchen illustriert.
Dieses Problem der uneindeutigen Darstellung verstärkt sich zudem, sobald Dezimalbrüche eingeführt werden. Lernende haben Probleme mit der Frage nach der Anzahl der Zahlen in einem Intervall, wenn dessen Grenzen in einer bestimmten Form gegeben sind (Vamvakoussi & Vosniadou, 2010). Und selbst Studierende haben mit der Darstellung von Brüchen und Bruchzahlen noch Schwierigkeiten (DeWolf, Bassok & Holyoak, 2015).
Diese Problematik wohnt den Brüchen rein als algebraische Struktur inne. Um die ganzen Zahlen zu den rationalen zu erweitern, wird die folgende Konstruktion verwendet: Man definiert die rationalen Zahlen als Paare von ganzen Zahlen modulo einer Äquivalenzrelation $\sim$
\[\mathbb{Q} := \left\{(a, b)\in\mathbb{Z}^2\mid b\neq 0\right\}/\sim\]
mit
\[(a,b)\sim (c,d)\enspace :\Leftrightarrow\enspace ad = bc.\]
Insbesondere heißt das, dass Brüche tatsächlich nur als Paare von Zahlen definiert sind und ihre charakteristischen Eigenschaften erst durch die anschließende Definition der Verknüpfungen
\[(a,b) + (c,d)\enspace :=\enspace (ad + bc, bd)\qquad\text{ und }\qquad(a,b)\cdot(c,d)\enspace :=\enspace (ac,bd)\]
erhalten. Diese Konstruktion, die Quotientenkörper genannt wird, kann für jeden Zahlbereich durchgeführt werden, nicht nur für die ganzen Zahlen. So beschreibt sie z.B. auch den Übergang von ganzrationalen zu gebrochenrationalen Funktionen. Als abstrakte Konstruktion beruht sie allerdings darauf, dass die Definition der Addition und Multiplikation über
\[\frac{a}{b}+\frac{c}{d}:=\frac{ad + bc}{bd}\qquad\text{ und }\qquad \frac{a}{b}\cdot\frac{c}{d}=\frac{ac}{bd}\]
Sinn ergibt und das geschieht auf Basis des Verständnisses von Bruchzahlen. Eine geometrische (oder anders geartete) Anschauung ist somit unabdingbar, um den Umgang mit Brüchen zu verstehen.