TIMSS-Videostudie
(Clausen, 2002; Reusser, Pauli und Zollinger, 1998; Klieme, Schümer & Knoll, 2001)
Im Themenbereich der kognitiven Aktivierung existieren diverse Studien. Weisungsgebende Ergebnisse haben die TIMSS-Videostudie als Begleitstudie der Third International Mathematic and Science Study (TIMSS) sowie die COACTIV-Studie hervorgebracht. TIMSS ist eine groß angelegte, internationale Längsschnittstudie in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften, die alle vier Jahre durchgeführt wird. Neben Deutschland haben seit der ersten Erhebung 1995 mehr als 40 andere Länder teilgenommen (Clausen, 2002).
Das Akronym der Abkürzung TIMSS wurde von Third International Mathematics and Science Study (1999) zu Trends in International Mathematics and Science Study (seit 2003) abgeändert. Nachfolgend wird ein kurzer Überblick zu den wichtigsten Ergebnissen der TIMSS-Videostudie aufgezeigt. Das nächste Kapitel geht näher auf die COACTIV-Studie ein.
TIMSS-Videostudie
Begleitend zur TIMSS-Mittelstufenstudie wurde in den drei Ländern USA, Japan und Deutschland eine Videostudie durchgeführt (1996 erarbeitet). Hierfür wurden über 230 reguläre Mathematiklektionen auf Video aufgezeichnet und einer vergleichenden qualitativen und quantitativen Analyse unterzogen (Reusser, Pauli & Zollinger, 1998). Im Mittelpunkt der Studie standen erste systematische transkulturelle Vergleiche von Unterrichtsmustern. Dementsprechend wurde der Einfluss von Unterrichtskulturen auf mathematisches Verständnis, Problemlösen und Mathematikleistung untersucht. Durch die Verwendung von Videoaufzeichnungen wurde eine möglichst realitätsnahe Repräsentation von Mathematikunterricht im 8. Schuljahr angestrebt. Mithilfe von detaillierten Analysen konnten wesentliche Qualitätsmerkmale schulischen Unterrichts identifiziert und ein Vergleich der Praxis des Mathematikunterrichts in den drei Länder vorgenommen werden (Reusser, Pauli & Zollinger, 1998).
Zentrale Ergebnisse
Laut den Befunden bestehen in den drei Ländern teilweise große Unterschiede in der Unterrichtspraxis:
- Die mathematischen Inhalte japanischer Unterrichtsstunden sind im Durchschnitt komplexer als in Deutschland. In Deutschland sind sie jedoch anspruchsvoller als in den USA (Klieme, Schümer & Knoll, 2001).
- In Japan werden in Einzel-, Partner- und Gruppenarbeitsphasen vor allem Problemlöse- und Denkaufgaben gestellt. In Deutschland hingegen wurden solche nur selten und in den USA gar nicht aufgezeichnet (Klieme, Schümer & Knoll, 2001).
- Zusätzlich wurden in Japan alternative Lösungswege vorgestellt und zusammen in der Klasse bearbeitet und diskutiert (Klieme, Schümer & Knoll, 2001).
- Eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und Japan zeigte sich bei deren Einsatz von Unterrichtsgesprächen zwischen Lehrenden und Lernenden, um neue mathematische Konzepte zu entwickeln. In den USA hingegen wurden neue Inhalte meist nur vom Lehrenden vorgeführt und anschließend in Übungsphasen von den Lernenden reproduziert und angewandt (Klieme, Schümer & Knoll, 2001).
- In Deutschland und USA ist ein geringes kognitives Anregungspotenzial bei der Aufgabengestaltung im Mathematikunterricht der 8. Jahrgangsstufe zu vermerken. Für deutsche und amerikanische Lehrende stehen vor allem das Einüben der korrekten Anwendung von Prozeduren zur Lösung spezifischer mathematischer Probleme im Vordergrund (Reusser, Pauli & Zollinger, 1998).
- Aus deutscher Sicht positiv hervorzuheben sind die Ergebnisse hinsichtlich der Instruktion im Unterrichtsgeschehen. Deutschland setzt wie auch Japan auf den Einsatz von Unterrichtsgesprächen, welche als kognitiv aktivierend angesehen werden (siehe Kapitel: Kognitiv aktivierendes Unterrichtsgespräch).