Grundlagen der Orbitaltheorie

(Clayden, Greeves & Warren, 2013; Latscha, Kazmaier & Klein, 2016; Schatz & Ratner, 2002)

Auf den nachfolgenden Seiten soll der Zusammenhang zwischen der Molekülstruktur eines Stoffes und seiner Farbigkeit genauer untersucht werden. Als Grundlage wird dafür Wissen über Orbitale und die Orbitaltheorie benötigt, das in diesem Abschnitt geklärt wird.

Farbstoffe und Pigmente haben gemeinsam, dass sie viele Doppelbindungen besitzen, welche durch Konjugation miteinander verknüpft sind – Einfach- und Doppelbindungen treten abwechselnd zueinander auf. Daraus resultiert eine Delokalisierung der Elektronen: Diese befinden sich nicht mehr ausschließlich zwischen zwei Atomen, sondern verteilen sich über weite Teile des Moleküls. Das bedeutet, dass die Unterschiede der Energieniveaus, auf denen sich die Elektronen befinden können, annähern. Somit ist weniger Energie für einen Elektronenübergang nötig, was dazu führt, dass dies nun Wellenlängenbereichen im sichtbaren Licht entsprechen.

Das Verhalten von Elektronen in Atomen und Molekülen wird mithilfe von Wellengleichungen beschrieben. Um diese exakt bestimmen zu können, ist quantenmechanisches Wissen nötig, auf das an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden soll.

Die Orte in Atomen und Molekülen, an denen sich Elektronen befinden können, heißen Orbitale. Allerdings sind diese nicht als feste, tatsächliche Orte gegeben, sondern über Wahrscheinlichkeitsdichten: Für jedes Orbital gibt es eine Funktion $\phi:\mathbb{R}^3\to\mathbb{R}_0^+$, die die Wahrscheinlichkeit angibt, dass sich ein Elektron an einer bestimmten Stelle im Raum befindet. In der Quantenmechanik wird nun allerdings nicht mit diesen Wahrscheinlichkeitsverteilungen direkt gearbeitet. Als Lösung der entsprechenden Gleichungen erhält man Funktionen $\Psi:\mathbb{R}^3\to\mathbb{C}$, sodass die Wahrscheinlichkeiten durch $\phi = \lvert \Psi\rvert^2$ gegeben ist. Das heißt, die eigentlichen Funktionen $\Psi$ können komplexwertig sein, was für Wahrscheinlichkeiten direkt erst einmal keinen Sinn ergibt. Allerdings erlaubt das, z. B. anhand des Vorzeichens von $\Psi$ verschiedene Bereiche der Orbitale zu unterscheiden, was sich bei Atomen in der Spinquantenzahl niederschlägt:

Quantenzahlen

Die Wellengleichungen in Atomen führen zu Orbitalfunktionen $\Psi$, die von vier Parametern abhängen, die * *Quantenzahlen** genannt werden. Für einfache Einelektronensysteme wie etwa ein Wasserstoffatom lassen sich diese Funktionen zwar relativ leicht explizit angeben – allerdings gehen die Quantenzahlen in nicht-offensichtlicher Weise in die Formeln ein, sodass hier eine qualitative Beschreibung genügen soll.

Dazu werden in der folgenden interaktiven Visualisierung die Funktionen $\Psi$ angezeigt, welche rein reelle Werte annehmen. Dabei sind positive Werte orange und negative Werte blau dargestellt. Je heller ein Punkt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron an dieser Stelle zu finden.


Anleitung: An den Schieberegler Haupt-, Neben- und Magnetquantenzahlen einstellen. Mit der Maus die 3D-Ansicht drehen. Mit dem “$yz$-Querschnitt”-Knopf zwischen der vollen 3D-Ansicht des aktuellen Orbitals und eines Querschnitts in der $yz$-Ebene hin- und herwechseln. Dies ist vor allem bei einer Nebenquantenzahl von $\ell = 0$ hilfreich, wenn das Orbital aus Kugelschalen besteht.


Die Hauptquantenzahl $n=1,2,3…$ beschreibt das Hauptenergieniveau und entspricht der Periode im Periodensystem. In der Anwendung oben ist zu erkennen, dass für eine feste Drehimpulsquantenzahl $\ell$ eine höhere Hauptquantenzahl zu ähnlich geformten Orbitalen führt, deren Form sich aber mehr und mehr wiederholt. Im Namen der Orbitale ist das die Zahl, die vor dem Buchstaben steht.

Die Nebenquantenzahl (oder Drehimpulsquantenzahl) $\ell=0,1,2,…n−1$ beschreibt die Form des Orbitals. Die Buchstabennamen der Orbitale $\mathrm{s,p,d,f,g,h,i}$ entsprechen dabei direkt den Werten $\ell=1,2,3,4,5,6,7$. Für höhere $\ell$ wird die Form bald sehr kompliziert. Weiter unten werden hier hauptsächlich die kugelförmigen $s$- und die hantelförmigen $p$-Orbitale betrachtet.

Die Magnetquantenzahl $m=−\ell,−(\ell−1),…,\ell−1,\ell$ beschreibt die räumliche Orientierung des Orbitals. Für ein $p$-Orbital gilt also $m\in{−1,0,1}$ und diese drei Werte codieren, welche der drei Raumachsen die Symmetrieachse des Orbitals darstellen. Für größere $\ell$ bestimmt $m$ ebenfalls die Form mit und der unterschiedlichen Orientierungen treten nur noch zwischen $m$ und $-m$ auf. In den Namen der Orbitale entsprechen die Werte von $m$ dem Index, der aus $x$,$y$ und $z$ besteht und die Orientierung angibt.

Die Spinquantenzahl $m_s$ kann nur die beiden Werte $-\frac{1}{2}$ und $+\frac{1}{2}$ annehmen. Betrachtet man etwa das $1\mathrm{p_z}$-Orbital mit $(n,\ell,m)=(1,1,0)$, so haben Punkte oberhalb der $xy$-Ebene positive Werte (orange in der Visualisierung) und Punkte unterhalb negative Werte (blau) und diese beiden Hälften gehören je zu einer der beiden Spinquantenzahlen. Das Pauli-Prinzip besagt, dass keine zwei Elektronen in einem Atom in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen können. Befinden sich also etwa zwei Elektronen im $1\mathrm{p_z}$-Orbital, so müssen sie sich im Spin unterscheiden und somit in unterschiedlichen “Hantelarmen” sein.

Hybridorbitale

Orbitale eines Atoms oder Moleküls können sich vermischen und erzeugen dabei sogenannte Hybridorbitale. Deren Wellenfunktionen ergeben sich dabei als gewichtete Summen der Wellenfunktionen der beteiligten Ausgangsorbitale. Dies kann bei Atomen nur bei Orbitalen derselben Hauptquantenzahl passieren. Die resultierenden Hybridorbitale werden mit $\mathrm{s^a p^b d^c}…$ bezeichnet, wobei die Exponenten $\mathrm{a},\mathrm{b},\mathrm{c},…$ angeben, wie viele der entsprechenden Orbitale beteiligt sind. Ist ein Exponent gleich $1$, wird er zumeist einfach weggelassen.

Das für die organische Chemie wichtigste Beispiel tritt dabei bei Kohlenstoffatomen auf: Im Grundzustand kann es wegen seiner Elektronenkonfiguration $\mathrm{1s^2 2s^2 2p^2}$ nur zwei Bindungen ausbilden. Jedoch können das eine $2\mathrm{s}$ und mehrere $2\mathrm{p}$-Orbitale hybridisiert werden.

In Alkanen vermischt sich das $\mathrm{2s}$-Orbital mit dem $\mathrm{2p_x}$,$\mathrm{2p_y}$ und $\mathrm{2p_z}$-Orbital, sodass insgesamt vier $\mathrm{2sp^3}$-Hybridorbitale entstehen. Somit kann der Kohlenstoff vier Bindungen ausbilden, wie es für Alkane typisch ist.

Bei Alkenen mischt sich das $\mathrm{2s}$-Orbital mit zwei der drei $\mathrm{2p}$-Oribtale, sodass drei $\mathrm{2sp^2}$-Hybridorbitale entstehen. In den meisten Rechnungen und Darstellung werden hierfür ohne Einschränkung der Allgemeinheit das $\mathrm{2p_x}$- und das $\mathrm{2p_y}$-Orbital genommen, das $\mathrm{2p_z}$ bleibt übrig. Was das genau zur Folge hat, wird in den nachfolgenden Abschnitten erklärt.


Anleitung: Die mit Orbitalnamen beschrifteten Knöpfe drücken und beobachten, wie sich die entsprechend ausgewählten Orbitale hybridisieren.


Die Hauptquantenzahl $n=1,2,3…$ beschreibt das Hauptenergieniveau und entspricht der Periode im Periodensystem. In der Anwendung oben ist zu erkennen, dass für eine feste Drehimpulsquantenzahl $\ell$ eine höhere Hauptquantenzahl zu ähnlich geformten Orbitalen führt, deren Form sich aber mehr und mehr wiederholt. Im Namen der Orbitale ist das die Zahl, die vor dem Buchstaben steht.

Molekülorbitale und Bindungen

Eine Bindung kommt zustande, wenn zwei Atomorbitale überlappen, wodurch Molekülorbitale entstehen. Dabei ergibt die Wechselwirkung von zwei Atomorbitalen zwei Molekülorbitale. Haben nämlich die Wellenfunktionen der beiden kombinierten Atomorbitale das gleiche Vorzeichen, so kommt es zu einer Verstärkung und einem bindenden Molekülorbital. Bei unterschiedlichen Vorzeichen kommt es zur Schwächung der Wellenfunktion und zu einem **antibindenden ** Molekülorbital.

Die Wellenfunktion der Molekülorbitale ist dabei – ähnlich wie bei Hybridorbitalen – eine Linearkombination der Wellenfunktionen der beteiligten Atomorbitale.

Überlappen sich die Orbitale auf der Verbindungsgeraden der Atomkerne, so ist die Bindung besonders stark und wird $\sigma$-Bindung genannt. Überlappen sie sich abseits der Verbindungsgerade, wird das $\pi$-Bindung genannt.


Anleitung: Mit den Knöpfen die anzuzeigende Bindung wählen. Der “anti-binden”-Knopf rechts unten wechselt dabei den Modus der drei zur Auswahl stehenden Oribtalen von bindend zu anti-bindend und zurück.


Aufgabe dazu…

Aufgabe 5