Formen adaptiven Unterrichts: Differenzierend, Individualisierend, Offen
(Bahr, 2013; Bohl, 2012; Heiland et al., 2017; Kiel et al., 2015; Klafki & Stöcker, 1976; Lipowsky & Lotz, 2015; Trautmann & Wischer, 2008)
Es gibt verschiedene Ansätze zum Umgang mit Heterogenität im Unterricht.
Ein adaptiver Unterricht kann sowohl ein individualisierender, als auch ein differenzierender oder offener Unterricht sein – oder ein Unterricht, der versucht über eine variable Kombination der eben genannten Varianten auf die verschiedenen Heterogenitätsmerkmale einzugehen.
Abbildung: Umgang mit Heterogenität: verwandte Konzepte in Anlehnung an Bohl (2012, S. 18)
Differenzierender Unterricht
Auschnitt der Abbildung: Umgang mit Heterogenität: verwandte Konzepte in Anlehnung an Bohl (2012, S. 18)
Bei der Differenzierung wird zunächst zwischen Äußerer und Innerer Differenzierung unterschieden. Dementsprechend wird in der Folge erklärt was jeweils darunter zu verstehen ist.
Äußere Differenzierung
(Kiel et al., 2015; Klafki & Stöcker, 1976; Trautmann & Wischer, 2008)
Bei der Äußeren Differenzierung werden “Schülerinnen- und Schülerpopulationen nach irgendwelchen Gliederungs- oder Auswahlkriterien – z.B. den Gesichtspunkten unterschiedlichen Leistungsniveaus oder unterschiedlicher Interessen – in Gruppen aufgeteilt, die dauerhaft räumlich getrennt und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zeiten unterrichtet werden” (Klafki & Stöcker, 1976, S. 497; Trautmann & Wischer, 2008). Äußere Differenzierung findet also auf schulorganisatorischer Ebene statt.
In Deutschland setzt die gröbste Form der Äußeren Differenzierung – die Unterscheidung von Schulformen – in der Regel nach Beendigung der Grundschule ein. Dahinter steckt im Grunde die Idee Lernende in (vermeintlich) leistungshomogenen Lerngruppen am besten fördern zu können:
Weitere, “feinere” Formen der Äußeren Differenzierung sind beispielsweise die Einteilung in Schulklassen nach Wahl der ersten Fremdsprache, Wahl eines bestimmten Schulzweiges, Geschlecht usw.
Innere Differenzierung/Binnendifferenzierung
(Bahr, 2013; Heiland et al., 2017; Kiel et al., 2015; Klafki & Stöcker, 1976)
Trotz der in Deutschland üblichen obig beschriebenen Äußeren Differenzierung auf schulorganisatorischer Ebene ist eine Innere Differenzierung innerhalb der gemeinsam unterrichteten Lerngruppe erforderlich. Ein gewisser Grad an Homogenität kann zwar durch Äußere Differenzierung erlangt werden, dennoch bildet jede Lerngruppe unterschiedliche Heterogenitätsmerkmale aus, die eine Innere Differenzierung notwendig machen. Dies gilt insbesondere in modernen, heterogenen Gesellschaften (Heiland, Neumann & Streitberger, 2017). Die Vorstellung eines “Durchschnittslerners” existiert spätestens seit der Etablierung der konstruktivistischen Lerntheorie nicht mehr (vgl. Kapitel Der konstruktivistische Lernbegriff als Grundlage adaptiven Unterrichts).
Mögliche Ansätze der Inneren Differenzierung sehen wie folgt aus (Bahr, 2013):
- Differenzierung nach Lernzugängen (Verwendung verschiedener Materialien, um die Inhalte für Lernende zugänglich zu machen)
- Differenzierung nach Lernstilen
- Differenzierung durch Unterstützung
- Differenzierung nach Qualität
- Differenzierung nach Quantität
Eine Differenzierung nach Lernzugängen bereitet beispielsweise Inhalte über verschiedene Medien unterschiedlich auf und stellt so Texten, Filme, Bilder oder Karten gegenüber. Eine Differenzierung nach Lernstilen konzentriert sich eher auf die Unterschiede bei der kognitiven Verarbeitung von Informationen und gliedert in verbal-sprachliche, logisch-mathematische, visuell-räumliche und physisch-kinästhetische Lernstile. Elemente bei der Differenzierung durch Unterstützung können Hilfekärtchen, Glossare, Antwortstrukturierungen etc. sein. Eine quantitative Differenzierung durch zusätzliche Materialien und anspruchsvolle Belohnungsaufgaben, die sich jedoch nicht in ihrem Anforderungsniveau unterscheiden, steht einer qualitativen gegenüber, die nach dem Schwierigkeitsgrad der Materialien differenziert (Bahr, 2013).
Impulsfrage:
Sehen Sie sich den nachfolgenden Ausschnitt der Szene 2 - Teil 1: Innere Differenzierung an.
Erkennen Sie, welche Ansätze der Inneren Differenzierung hier zu sehen sind?
Individualisierender Unterricht
(Kiel et al., 2015; Lipowsky & Lotz, 2015)
Auschnitt der Abbildung: Umgang mit Heterogenität: verwandte Konzepte in Anlehnung an Bohl (2012, S. 18)
Der individualisierende Unterricht kann als Spezifizierung der Inneren Differenzierung verstanden werden.
Während bei der Inneren Differenzierung die Anpassung von Lernangeboten an Gruppen von Lernenden erfolgt, werden bei der Individualisierung die Lernangebote an einzelne Schülerinnen und Schüler angepasst. Hierbei kann eine individuelle Unterstützung der Lernenden durch den Lehrenden erfolgen.
Videohinweis:
Sehen Sie sich den nachfolgenden Abschnitt der Szene 4: Einführung von Bedingungen - Teil 1 an. Achten Sie dabei auf die Anweisung der Lehrerin. Die Schülerinnen und Schüler sollen in Einzelarbeit verschiedene Aufgaben, die zu ihrem individuellen Leistungsniveau passend bearbeiten, während die Lehrerin im Klassenzimmer umhergeht. Im Ausschnitt der Szene Szene 4: Einführung von Bedingungen - Teil 2 unterstützt Sie beispielsweise individuell Paul bei der Lösung der Aufgabe.
Offener Unterricht
(Kiel et al., 2015)
Auschnitt der Abbildung: Umgang mit Heterogenität: verwandte Konzepte in Anlehnung an Bohl (2012, S. 18)
Beim offenen Unterricht werden Inhalte, Zeitpunkte, Dauer der Bearbeitung, Methoden, Medien und Sozialform frei von den Lernenden gewählt.
“Im Gegensatz zu lehrergesteuerten Individualisierungsmaßnahmen gehen offenere Formen mehr von den Lernzugängen der Schülerinnen und Schüler aus, für die eine anregungsreiche Lernumgebung arrangiert wird” (Kiel et al., 2015, S. 53).