Repräsentationsformen in Theorie und Praxis
(Jörissen & Schmidt-Thieme, 2015; Kuntze, 2013; Reusser, 1998; Stern, 2002; Wittmann, 1981)
Die Ebenen der Repräsentation sind indirekt festgehalten in den Bildungsstandards der KMK für den mittleren Schulabschluss:
(K4) Mathematische Darstellungen verwenden
Dazu gehören:
- Verschiedene Formen der Darstellung von mathematischen Objekten und Situationen anwenden, interpretieren und unterscheiden.
- Beziehungen zwischen Darstellungsformen erkennen.
- Unterschiedliche Darstellungsformen je nach Situation und Zweck auswählen und zwischen ihnen wechseln.
Die in den Bildungsstandards enthaltenen Beschreibungen der Kompetenz des Verwendens mathematischer Darstellungen verweisen auf wesentliche Strategien von Experten. Mathematikerinnen und Mathematiker nutzen verschiedene Formen der Darstellung, untersuchen Unterschiede und interpretieren diese Darstellungen. Diese an Darstellungen orientierte Untersuchung mathematischer Objekte und Gedankengänge ist in der Regel von einem häufigen Wechsel zwischen den Darstellungsformen gekennzeichnet. Unterschiedliche Darstellungen rücken unterschiedliche Aspekte des jeweiligen Objekts oder Gedankengangs in den Vordergrund und machen sie so für die Lösung einer Problemstellung nutzbar. Das dabei entstehende Metawissen über Darstellungen stärkt das Begriffsverständnis zu den jeweiligen mathematischen Objekten.
Auf die Unterrichtspraxis bezogen bedeuten die drei Ebenen nach Jörissen & Schmidt-Thieme (2015):
- Die enaktive Ebene vermittelt reale Erfahrungen und ist damit intuitiv zugänglich.
- Die ikonische Ebene zeigt noch eine bildliche Ähnlichkeit mit dem Dargestellten, sie veranschaulicht etwas. Man braucht sie als methodischen Zwischenschritt aus pädagogischen Gründen im Übergang von der Realität zum Abstrakten. Die ikonischen Repräsentationsformen gelten aber nicht als konstitutiver Teil der eigentlichen Mathematik.
- Die Symbole sind Bedeutungsträger und als solche die adäquate Darstellungsform der eigentlichen Mathematik. Aufgrund ihrer Abstraktheit sind sie jedoch als schwierig einzustufen.
Diese Darstellungen sollen als Lernhilfe fungieren und werden mit der Prämisse eingesetzt, dass sie die Lernenden beim Aufbau von tragfähigen Vorstellungen zu mathematischen Begriffen unterstützen. Es kommt beim Aufbau von Begriffswissen meist wesentlich auf die Nutzung vielfältiger Darstellungen an: Verschiedene Darstellungen können in diesem Beispiel verschiedene Zahlaspekte betonen, Einsichten in die Struktur der Zahl ermöglichen, Querbezüge zu anderen Zahlen aufbauen und Verknüpfungen mit Vorerfahrungen der Lernenden fördern. Sie können aber auch kognitive Konflikte herausfordern, die im Idealfall lernproduktiv genutzt werden können. Das Benutzen vielfältiger Darstellungen kann durchaus auch im Spektrum zwischen handelnden, bildlichen und symbolischen Darstellungsformen zum Ausdruck kommen – hierbei spielen Medien bzw. Arbeitsmittel und deren Möglichkeiten eine wichtige Rolle. Ganz wesentlich ist das Reflektieren der jeweiligen Darstellung, wenn im Aufbauprozess von Begriffswissen.
Wittmann (1981) ergänzt, dass der enaktive und der ikonische Modus in der Grundschule die natürlichen Formen der Erschließung und Darstellung von Wissen sind. Enaktive und ikonische Wurzeln von Begriffen und symbolische Operationen sollen breit entwickelt und als Grundlage für die Symbolisierung benutzt werden. Dadurch muss später nicht jede Lernaktivität enaktiv eingeleitet und via ikonischem Modus in die symbolische Ebene übertragen werden. Wenn ausreichend(!) symbolische Vorkenntnisse vorliegen, kann es sinnvoll sein, auf der symbolischen Ebene zu starten.
Die strenge Entwicklungsreihenfolge wurde empirisch nicht belegt. Reusser (1998) und Stern (2002) betonen, dass die mentalen Repräsentationsformen bereits früh gemeinsam vorkommen und sich zum Teil parallel entwickeln. Weder bei der Repräsentation von Wissen noch bei Lernprozessen muss die strenge Hierarchie der Ebenen angenommen werden. Sie bilden keine didaktische Stufenfolge.
Videobeispiel
In Szene 2: Gruppenarbeit und Szene 3: Gruppenarbeit mit Materialien sehen Sie drei verschiedene Gruppen, die jeweils mit primär enaktiven, ikonischen beziehungsweise symbolischen Materialien arbeiten. Der gezeigte Unterricht findet in einer Vorklasse einer beruflichen Schule statt, daher können der individuelle Vorkenntnisstand nicht klar definiert werden und eine breite Einführung ergibt an dieser Stelle Sinn.
Recherchieren Sie, wie die Einführung von wertgleichen Brüchen in der Sekundarstufe I beziehungsweise intuitiv auch in der Grundschule durchgeführt werden kann. Was müsste an den hier verwendeten Arbeitsmaterialien geändert werden, damit sie in der Grundschule eingesetzt werden könnten?