Was ist Unterrichtsqualität?

(Berliner, 2015; Helmke, 2007 & 2017; Kunter & Trautwein, 2013; Meyer, 2007; Reiss & Hammer, 2013; Schrader, 1993; Wiater, 2015)

Unterrichtsqualität wird als bewertbare Beschaffenheit und Güte schulischer Lehr-Lern-Prozesse verstanden. Es geht darum, dass es den Lehrenden gelingt, den Lernenden die Möglichkeit zu eröffnen, verständnisvolle Lernprozesse zu beginnen und aufrechtzuerhalten, also Lernen angemessen anzuregen und zu unterstützen. Unterricht ist dann von hoher Qualität, wenn er proaktiv und präventiv gesteuert wird und wenn die effektive Lernzeit möglichst groß ist. Die Unterrichtsqualität lässt sich auf unterschiedliche Weise (Produktqualität, Prozessqualität, Strukturqualität, Orientierungsqualität) und aus verschiedenen Perspektiven (Lehrende, Lernende, Eltern, Schulaufsicht, Unterrichtsforschung) bestimmen.

Die Qualität kann unter zwei verschiedenen Aspekten bewertet werden:

  • normative Bewertung: inwieweit werden angemessene Methoden und Strategien im Unterricht umgesetzt.
  • ergebnisorientierte Bewertung: welche Methode oder Strategie führt zu den erwünschten Effekten.

Heute hat sich die ergebnisorientierte Wirkung des Unterrichts, also die Messung an seinen Outputs, durchgesetzt (Helmke, 2004; Meyer, 2007). Nach Berliner (2005) ist eigentlich die Kombination aus beiden Aspekten wünschenswert. In dieser Auffassung ist Unterricht dann gut, wenn er Merkmale aufweist, die aus normativen Wertvorstellungen heraus sinnvoll und wünschenswert sind und gleichzeitig sollen diese Vorgehensweisen die gewünschten Erträge zeigen.

Merkmale guten Unterrichts

Nach Helmke (2007; 2017) sowie nach Reiss und Hammer (2013) sind Unterrichtsmerkmale zur Erfassung der Unterrichtsqualität immer eine individuelle Konstruktion. Sie sind nicht Ausdruck einer kohärenten, didaktischen Theorie sondern stellen Aspekte der Lernwirksamkeit zusammen, die in der Forschung und in der Praxis als relevant erachtet werden. Die Kenntnisse über die Wirkung dieser Merkmale ist kein Garant für guten Unterricht, sie müssen auch kompetent in Unterrichtsplanung und -reflexion übernommen und umgesetzt werden. Einige Merkmale sind empirisch noch nicht genügend fundiert (z. B. ist die Kompetenzorientierung erst seit Neuerem im Fokus der Bildungsforschung). Es müssen auch nicht alle Merkmale für guten Unterricht umgesetzt werden.

Fachübergreifende Merkmale:

  • Klassenführung: i) frühzeitige Etablierung und konsequente Realisierung verbindlicher sozialer und akademischer Regeln, ii) erfolgreiches, unterrichtsbezogenes Zeitmanagement zur Vermeidung von vergeudeter Lernzeit, iii) wirksamer Umgang mit Störungen, iv) Aktivitäten, die das Unterrichtsgeschehen steuern und koordinieren, v) planbare Abläufe und kurzfristige Interventionen.
  • Lernförderliches Klima: positiver Umgang mit Fehlern (Fehler als Lernchance), wechselseitige Unterstützung und Kooperation, entspannte Unterrichtsatmosphäre und Respektierung gegenüber allen Lernenden.
  • Motivierung: i) Förderung der Lern- und Anstrengungsbereitschaft durch hohe Leistungserwartungen, ii) thematische Motivierung durch geschickte Auswahl und Gestaltung des Unterrichtsstoffs, iii) instrumentelle Motivierung durch Betonung der Nützlichkeit des Lernstoffs, iv) eigener Enthusiasmus der Lehrenden.
  • Klarheit und Strukturiertheit: i) Struktur: Voranstellen der Lernziele der Stunde, Previews, Zusammenfassungen, aufmerksamkeitssteuernde und lernerleichternde Hinweise ii) Klarheit: Aufgabenstellungen klar, Verwendung anschaulicher Beispiele, Aktivierung von Vorwissen.
  • Schülerorientierung: affektiver Aspekt der Lehrenden-Lernenden-Beziehung, positive Lernatmosphäre mit wenig Angst oder Stress, Lernende fühlen sich persönlich ernst genommen und Lehrende vermitteln das Gefühl, für sie da zu sein; hoher Beteiligungsgrad der Lernenden; Lehrende können durch konstruktive Unterstützung Lernschwierigkeiten reduzieren und somit die Chance erhöhen, dass die Lernenden sich aktiv beteiligen.
  • Aktivierung: Fördern des eigenständigen Lernens von Lernenden; Ermutigen zu eigenen Lösungswegen und Äußerungen der eigenen Meinung; alle Lernenden werden während einer Stunde einbezogen, auch grafisch-visuelle oder kinästhetische Aktivierung.

Der Vollständigkeit halber sind die zehn Merkmale für guten Unterricht nach Meyer (2007, S. 227) ebenfalls aufgezählt. Sie überdecken sich zum Teil mit Helmkes Merkmalen.

Zehn Merkmale für guten Unterricht

Diese Merkmale können dem didaktischen Sechseck zugeordnet werden:

Didaktisches Sechseck

Helmke und Schrader (1993) haben gezeigt, dass zwei Merkmale besonders wichtig sind. Die Effizienz der Klassenführung und die Klarheit/Strukturiertheit des Unterrichts. Keine Klasse mit hoher Leistungssteigerung wies bei diesen Merkmalen unterdurchschnittliche Werte auf.

Im Video sehen Sie Szene 3: Partnerarbeit. An dieser Szene werden einige Merkmale verdeutlicht, auch wenn sie mal mehr mal weniger stark ausgeprägt sind. Zum Beispiel kann hier von einer vorbereiteten Umgebung gesprochen werden, da die Kärtchen für die Partnerarbeit zuvor sorgfältig erstellt wurden. Der Anteil der Lernzeit ist hoch, da die Lernenden ungestört in einer schnellen Abfolge Fragen und Antworten müssen und so dauerhaft aktiv bleiben. Das Klima ist lernförderlich, da es kein richtig und falsch gibt, sondern die Lernenden erst einmal mit dem Spiel experimentieren dürfen.

Ein Strichmännchen hält die erste Kugel eines Newton-Pendels in der Hand. Die Kugel sind beschriftet mit den Buchstaben des Worts Impuls.

Beschreiben Sie, wie die anderen Merkmale hier auftreten.

Überlegen Sie sich zudem, wie der Unterricht aussehen würde, der jeweils eines dieser Merkmale gar nicht aufweist.

Aufgaben dazu …

Aufgaben 10 und 11