Reihendarstellung

Neben den in der Schule genutzten Einführungsmöglichkeiten können Sinus und Cosinus über eine Reihendarstellung hergeleitet werden. Dieser Ansatz ist nicht für Lernende in der Schule gedacht, jedoch ganz interessant für Studierende. Das Problem ist, dass die gewünschte Reihe durch eine Taylor-Entwicklung erzeugt wird und hierfür Konzepte benötigt werden, die erst später eingeführt werden – nämlich die Ableitungen des Sinus und Cosinus, welche noch im weiteren Verlauf dieses Moduls erarbeitet werden. Angehende und bereits tätige Lehrende sind damit schon vertraut, weswegen das Thema hier eine kurze Einführung finden soll. Der Anschaulichkeit halber wird zunächst die Betrachtung der Taylor-Entwicklung des Sinus gezeigt, bevor erklärt wird, was ein Taylor-Polynom ist.

Taylor-Reihenentwicklung des Sinus

Die Taylor-Entwicklung des Sinus sieht folgendermaßen aus: \[\sin(x) = \sum_{k=0}^\infty (-1)^k\cdot\frac{x^{2k + 1}}{(2k + 1)!} = x - \frac{x^3}{6} + \frac{x^5}{120}\enspace\mp\,\cdots\]

Die nachfolgende interaktive Visualisierung zeigt die Annäherung:


Anleitung: Zwischen Sinus und Cosinus wählen. Den grünen Schieberegler verschieben, um den Wert von $n$ zu ändern.


Nach dem Experimentieren mit der interaktiven Visualisierung liegt der Schluss nahe, dass die Annäherung durch ein Polynom in einem gewissen Bereich sehr gut ist. Nun folgt eine allgemeine Beschreibung einer Taylor-Entwicklung.

Was ist ein Taylor-Polynom?

Sei $f$ eine beliebige, differenzierbare Funktion $\mathbb{R}\to\mathbb{R}$. Dann erhalten wir durch die Tangente an der Stelle $p$ eine ideale lokale Annäherungen an den Graphen der Funktion $f$. Um die Tangente zu bestimmen, muss zunächst der Entwicklungspunkt $p$ festgelegt werden und dann muss an dieser Stelle die erste Ableitung bestimmt werden. Dadurch, dass die Steigung der Tangente und die des Graphen an der Stelle $p$ identisch sind, erhalten wir zwar eine ideale lokale Approximation. Jedoch kann die Tangente global sehr stark von dem Graphen abweichen, wenn dieser beispielsweise wie der Sinus oszilliert. Ziel eines Taylor-Polynoms ist es aber, sich einem möglichst großen Teil des Graphen anzunähern. Wir halten nochmal fest. Die erste Annäherung erfolgt durch eine Tangente, die folgendermaßen definiert ist: $T_1(x)=f(p)+f’(p)(x-p)$ Da es sich bei Tangenten um Geraden handelt und diese bekanntlich den Grad $1$ besitzen, sagen wir auch, dass es sich um ein Taylor-Polynom der Ordnung $1$ handelt. Somit wäre die nächstmögliche Annäherung ein Taylor-Polynom der Ordnung $2$, also eine Parabel, dann ein Polynom der Ordnung $3,4,5$ usw. Dafür muss die Funktion aber auch entsprechend oft differenzierbar sein. Als Taylor-Polynome ausgedrückt erhalten wir:

$\displaystyle T_2(x)=f(p)+f’(p)(x-p)+\frac{f’‘(p)}{2!}(x-p)^2$

$\displaystyle T_3(x)=f(p)+f’(p)(x-p)+\frac{f’‘(p)}{2!}(x-p)^2+\frac{f’’‘(p)}{3!}(x-p)^3$

$\displaystyle T_4(x)=f(p)+f’(p)(x-p)+\frac{f’‘(p)}{2!}(x-p)^2+\frac{f’’‘(p)}{3!}(x-p)^3+\frac{f’’’‘(p)}{4!}(x-p)^4$

$…$

Als allgemeines Taylor-Polynom im Entwicklungspunkt $p$ erhalten wir \(\displaystyle T_n(x)=\sum_{k=1}^{n}\frac{f^{(k)}(p)}{k!}(x-p)^k,\) wobei $f^{(k)}$ die $k$-te Ableitung ist.

Natürlich ist eine Taylor-Entwicklung nur möglich, wenn die Funktion an der gewünschten Stelle $n$-mal differenzierbar ist. Falls $n\to\infty$ gilt, spricht man von einer Taylor-Reihe.

Zurück zum Sinus

Um nun die Reihendarstellung des Sinus zu erhalten, wird eine Taylor-Entwicklung der Sinusfunktion im Entwicklungspunkt $0$ durchgeführt. Es gilt:

\[\displaystyle \lim_{n\to\infty} T_n(x)=\lim_{n\to\infty} \sum_{k=1}^n\frac{\sin^{(k)}(0)}{k!}x^k\]

\[\displaystyle =\sin(0)+\sin’(0)x+\frac{\sin’‘(0)}{2}x^2+\frac{\sin’’‘(0)}{3!}x^3+\frac{\sin’’’‘(0)}{4!}x^4+\frac{sin’’’’‘(0)}{5!}x^5+\ldots\]

\[\displaystyle =\sin(0)+\cos(0)x-\frac{\sin(0)}{2}x^2-\frac{\cos(0)}{3!}x^3+\frac{\sin(0)}{4!}x^4+\frac{\cos(0)}{5!}x^5\ldots\]

\[\displaystyle =0+x-0-\frac{1}{6}x^3+0+\frac{1}{120}x^5\ldots\]

\[\displaystyle =x-\frac{x^3}{3!}+\frac{x^5}{5!}-\frac{x^7}{7!}+\frac{x^9}{9!}\ldots\]

Es ist zu sehen, dass jeder $2.$ Summand wegfällt, da sich stets ein Bruch mit $\sin(0)$ im Zähler ergibt und damit das ganze Glied gleich $0$ ist. Außerdem ergibt sich abwechselnd ein Plus- beziehungsweise Minuszeichen. Es lässt sich demnach als Summe festhalten:

\[\sin(x)=\displaystyle{\sum_{k=0}^{\infty}(-1)^k\cdot\frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!}}\]

Reihendarstellung des Cosinus

Die Cosinus-Reihe wird analog bestimmt: \[\cos(x)=\displaystyle{\sum_{k=0}^{\infty}(-1)^k\cdot\frac{x^{2k}}{(2k)!}}\]

Dies kann ebenfalls in der interaktiven Visualisierung oben betrachtet werden.

Weitere Informationen zu den trigonometrischen Funktionen finden sie in (Korntreff, 2017).